Herz und Lunge – von der Entwicklungsbiologie zur Therapie
Forschungsbericht (importiert) 2011 - Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung - W. G. Kerckhoff-Institut
Herzentwicklung und -regeneration
Transkriptionelle Netzwerke und epigenetische Veränderungen in kardialen Stammzellen
Die Arbeitsgruppe von Dr. Gergana Dobreva beschäftigt sich mit Stammzelllinien des Herzens. Stammzellen sind durch die Eigenschaft charakterisiert, sich entweder durch Zellteilung selbst zu erneuern oder in spezialisierte Tochterzellen zu differenzieren. Diese Eigenschaft ist sowohl in der Organentwicklung als auch der Geweberegeneration von entscheidender Bedeutung [1]. Die Entdeckung multipotenter Stammzellen im Herzen hat die Hoffnung genährt, dass Stammzell-basierte Therapien für Herzerkrankungen entwickelt werden können. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch ein besseres Verständnis der Mechanismen, welche die Differenzierung von Stammzellen in der Herzentwicklung kontrollieren. Das Protein Isl1 markiert die kardialen Vorläuferzellen in der Herzentwicklung und ist essenziell für deren Stammzelleigenschaften. Darüber hinaus spielt Isl1 eine entscheidende Rolle in der Regulation des transkriptionellen Programms, das für die Differenzierung von kardialen Stammzellen in Herzmuskelzellen verantwortlich ist. Dabei ist Isl1 unter anderem mit epigenetischen Regulatoren assoziiert, die die Chromatinstruktur verändern und Zelltyp-spezifische Genexpressionsmuster etablieren [2]. Isl1 wird selbst durch verschiedene Modifikationen reguliert, um die Vielzahl seiner Eigenschaften zu kontrollieren. Die Wissenschaftler hoffen, generelle Regulationsstrukturen zu identifizieren, die es ermöglichen, endogene oder exogene Stammzellen kontrolliert zu differenzieren und so Herzerkrankungen zu heilen.
Wachstumsfaktor-vermittelte Regenerationsprozesse am Beispiel des Myokards
Die Arbeitsgruppe von Dr. Felix Engel widmet sich der Entwicklung des Herzens. Die Erforschung von natürlichen Regenerationsprozessen ist die Basis, um regenerative Therapien für Erkrankungen wie die Koronare Herzkrankheit entwickeln zu können. Entscheidend für die Regeneration von Organen sind Aktivitäten von Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren. Das menschliche Herz bildet nach einem Infarkt eine Narbe. Im Gegensatz zu Säugetieren besitzt das Herz von Kaltblütern die Fähigkeit zu regenerieren, indem es die Zellteilung von Herzmuskelzellen induziert. Im Säugetierherzen können sich diese Zellen nur während der Embryonalentwicklung vermehren. Das Studium der Embryonalentwicklung hat dazu beigetragen, Faktoren zu identifizieren, welche die Vermehrung von Herzmuskelzellen steuern bzw. angeborene Herzerkrankungen wie fehlgebildete Herzklappen besser zu verstehen [3,4]. Mittels Wachstumsfaktoren ist es nun möglich, die Herzmuskelzellen von adulten Säugetieren zur Zellteilung anzuregen, die Narbenbildung nach einem experimentellen Herzinfarkt zu reduzieren und so eine Herzinsuffizienz zu verhindern [4]. Die Induktion der Vermehrung von Herzmuskelzellen könnte eine realistische Option zur Regeneration des menschlichen Herzmuskels darstellen. Das langfristige Ziel ist daher die Identifizierung weiterer Wachstumsfaktoren, welche die Myokardschädigung beschränken sowie die Neubildung von Herzmuskelzellen induzieren, um Herzerkrankungen besser behandeln zu können.
Lungenentwicklung und -krebs
Epigenetische Kontrolle der embryonalen Lungenentwicklung und des Lungenkrebs
Die Arbeitsgruppe von Dr. Guillermo Barreto erforscht die Entwicklung der Lunge. Gene, die für die Differenzierung und die Morphogenese der embryonalen Lunge entscheidend sind, haben gemeinsam, dass verschiedene Transkripte von einem Gen exprimiert werden. Von jedem Gen wird eine embryonale Protein-Isoform in undifferenzierten Zellen exprimiert sowie mindestens eine zweite Isoform in differenzierten Zellen der erwachsenen Lunge. Die Expression der unterschiedlichen Isoformen wird durch verschiedene Promotoren im selben Gen ermöglicht. Welcher Promoter von der Transkriptionsmaschinerie benutzt wird, ist epigenetisch reguliert, d.h. durch Veränderungen der Chromatinstruktur z.B. mittels kovalenter Modifizierung von Histonen, Einbau von Histonvarianten, DNS-Methylierung oder einer Veränderung der Nukleosom-Positionierung (5,6). Interessanterweise wird in Krebsgeschwüren der Lunge die embryonale Isoform re-exprimiert. Dies legt nahe, dass die Re-expression embryonaler Isoformen ein frühes Ereignis während der Transformation einer normalen Zelle in eine Krebszelle darstellt. Die Detektion solcher Isoformen könnte sich als diagnostischer Nachweis für Lungenkrebs erweisen. Darüber hinaus bieten die embryonalen Isoformen, bzw. die epigenetischen Regulatoren derselben, vielversprechende Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.
Tumor-Stromazellen: Ein neuartiger Ansatzpunkt für die Tumortherapie
Die Arbeitsgruppe von Dr. Rajkumar Savai befasst sich mit den molekularen Mechanismen bei Lungenkrebs. Therapien für Lungenkrebs hatten bisher das Ziel, Tumorzellen abzutöten. Leider hat dieser Therapieansatz nur zu geringen Verbesserungen für die Patienten geführt. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass Krebszellen bereits in der frühen Tumorentwicklung aktiv Blutgefäße sowie verschiedene Zelltypen wie z.B. Immunzellen und Fibroblasten rekrutieren, die das sogenannte Tumorstroma bilden. Die Krebszellen manipulieren die rekrutierten Zellen, damit sie Wachstumsfaktoren und Zytokine produzieren, welche die Vermehrung der Krebszellen sowie die Metastasierung anregen. Wenn es gelingt, dieses Tumorstroma zu beeinflussen, kann man möglicherweise die Tumorexpansion verhindern bzw. den Tumor von einer bösartigen in eine gutartige Form überführen. Kürzlich wurden Medikamente zugelassen, welche die Rekrutierung von Blutgefäßen inhibieren und so das Wachstum von Krebsgeschwüren limitieren. Die Charakterisierung der inflammatorischen Zellen in Tumoren hat gezeigt, dass sowohl die angeborene als auch die erworbene Immunantwort von Bedeutung ist: Zum Beispiel stimulieren dendritische Zellen eine zytotoxische T-Zellantwort, indem sie Tumorantigene auf ihrer Zelloberfläche exprimieren und sie dementsprechend den T-Lymphozyten (CD4, CD8, NK-Zellen) präsentieren [7]. Diese Beispiele unterstreichen, wie bedeutsam es ist, die Interaktionen zwischen Krebszellen und Tumorstroma in Mausmodellen und Lungentumorpatienten [7,8] zu verstehen. Nur so können neuartige Therapien für diese aggressive Erkrankung entwickelt werden.