Deubiquitinierende Proteine regulieren den Notch-Signalweg
Forschungsbericht (importiert) 2018 - Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung - W. G. Kerckhoff-Institut
Der Notch-Signalweg ist ein hoch konservierter Zell-Zell-Kommunikationsmechanismus, der die Entwicklung und Funktion von Geweben und Organen steuert. Wir konnten mit dem Enzym USP10 einen neuen Regulator dieses Signalwegs identifizieren, der insbesondere für das Wachstum neuer Blutgefäße relevant ist. Die Aufklärung des molekularen Mechanismus bringt neue Einsichten in die Biologie des Blutgefäßwachstums. Er könnte auch für andere physiologische und pathologische Prozesse Bedeutung haben, bei denen der Notch-Signalweg eine wichtige Rolle spielt.
Einleitung
Der Notch-Signalweg (Notch Signaling) ist ein zentraler Signaltransduktionspfad, der die Zell-Zell-Kommunikation benachbarter Zellen ermöglicht. Benannt ist er nach seiner Entdeckung in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, in der eine Mutation dieses Signalwegs zu Kerben (Notches) in den Flügeln führt. Der Notch-Signalweg spielt vor allem bei Differenzierung und Wachstum von Geweben eine entscheidende Rolle und ist für deren Funktion unerlässlich. Innerhalb des Blutgefäßsystems koordiniert das Notch Signaling wesentliche Schritte der Gefäßneubildung (Angiogenese). Dies gilt nicht nur für die Entstehung neuer Gefäße während der Embryonalentwicklung, sondern auch während des Wachstums von Tumoren, die neue Gefäße für ihre Expansion benötigen. Bekannt ist, dass die Zellen der innersten Gefäßwand, die sogenannten Endothelzellen, besonders empfindlich auf Veränderungen der Notch-Aktivität reagieren. Selbst geringe Unterschiede können hier schwerwiegende Fehlbildungen im Gefäßsystem nach sich ziehen. Doch sind die Mechanismen, die den Notch-Signalweg in Endothelzellen regulieren, bislang nur unvollständig verstanden.
USP10 verlängert die Lebensdauer des aktivierten Notch-Rezeptors und verstärkt die Wirkung des Signalweges
In unseren Studien [1] konnten wir einen neuen Regulator des Notch-Signalwegs identifizieren, der zur Familie der deubiquitinierenden Enzyme (DUBs) gehört. DUBs sind Proteasen, die Ubiquitin von Proteinen abspalten und so deren Abbau, Lokalisierung oder Signalweitergabe beeinflussen. Das von uns identifizierte DUB wird als Ubiquitin-spezifische Peptidase 10 (USP10) bezeichnet. Wir fanden heraus, dass dieses Enzym die Notch-Signalweitergabe in Endothelzellen reguliert und dass seine Aktivität in auswachsenden Blutgefäßen erhöht ist.
Die Aktivierung des Notch-Signalwegs erfolgt durch Bindung eines Notch-Liganden an den Notch-Rezeptor. Hierdurch wird der Notch-Rezeptor proteolytisch gespalten, so dass sich der zytoplasmatische Rezeptoranteil löst und in den Zellkern einwandert. Dort bindet das Notch-Rezeptorfragment an andere Proteine und induziert die Transkription Notch-abhängiger Gene. Wir fanden heraus, dass USP10 mit dem aktivierten NOTCH1-Rezeptorfragment (NICD1) einen Proteinkomplex bildet. Dies ermöglicht es USP10, Ubiquitin-Moleküle vom Rezeptorfragment zu entfernen, die dieses Rezeptorfragment normalweise für einen schnellen Abbau markieren. In Folge der durch USP10 vermittelten Deubiquitininerung wird die Lebensdauer des aktivierten NOTCH1-Rezeptors verlängert. Durch die Kombination von genetischen, biochemischen und Genexpressionsanalysen konnten wir nachweisen, dass umgekehrt die Inaktivierung von USP10 die Dauer und Stärke endothelialer Notch-Antworten reduziert.
Die Aktivität von USP10 beeinflusst im Mausmodell das Gefäßwachstum
Wir konnten nachweisen, dass dieser Mechanismus für das Wachstum neuer Blutgefäße relevant ist, bei denen dynamische Veränderungen der Notch-Aktivität das Zusammenwirken von Endothelzellen bestimmen. Dazu haben wir neuartige genetische Mausmodelle verwendet, bei denen sich unter anderem USP10 selektiv in Endothelzellen ausschalten lässt. Die Ausschaltung führte zu Veränderungen in den Blutgefäßen, die einem Verlust der Notch-Aktivität in Endothelzellen ähnlich waren. Daraus lässt sich schließen, dass Endothelzellen ohne USP10 weniger Notch-Aktivität haben, weil der Notch1-Rezeptor nun ubiquitiniert bleibt und dadurch schneller abgebaut wird. Zudem konnten wir zeigen, dass durch Inaktivierung von USP10 Gefäßdefekte ausgeglichen werden können, die auf einer überschießenden Aktivierung des Notch-Signalwegs beruhen.
Zusammenfassend identifizieren unsere Studien USP10 als wichtige regulatorische Komponente des Notch-Signalpfads, der für die Feinabstimmung der Notch-Aktivität in Endothelzellen von Bedeutung ist. USP10, dessen Aktivität selbst durch metabolische und zelluläre Stresssignale gesteuert wird, könnte es Endothelzellen ermöglichen, die Notch-Aktivität auf veränderte Umgebungsbedingungen im Gewebe anzupassen.
Fazit
Unsere Untersuchungen lieferten neue Erkenntnisse zur Biologie des Blutgefäßwachstums, und angesichts der essentiellen Funktionen des Notch-Signalwegs für Entwicklung, Homöostase und Krankheitsprozesse könnte der hier aufgezeigte molekulare Mechanismus weitreichende Bedeutung für die Regulation auch anderer physiologischer und pathologischer Prozesse haben. Darüber hinaus könnte sich USP10 als attraktives Ziel erweisen, um die Dynamik des Notch Signaling bei Krankheiten wie Krebs zu modulieren, bei denen der Notch-Signalweg oft anormal aktiviert ist.